DAV-Fachtagung zum Ressourcenschutz im Bergsport

Unter dem Motto #machseinfach lud der DAV-Bundesverband Anfang Februar zu einer Tagung nach Regensburg ein, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen beim Ressourcenschutz im Bergsport zu bearbeiten.
kuu ressource 1Geboten wurden moderne Kommunikationsformate wie Nachhaltigkeitsslam, drei interaktive Workshops, ein „Markt der Möglichkeiten“ und eine Fishbowl-Diskussion, um sich über folgende Themen weiterzubilden, Ideen zu entwickeln, auszutauschen und zu vernetzen:

  • Nachhaltige Ausrüstung
  • Nachhaltig aktiv
  • Bildung für Nachhaltige Entwicklung.


Wer geht voran?
Ständig präsent war die Frage: Was kann jede*r einzelne tun, womit sollen wir in den Sektionen beginnen, was soll der Bundesverband leisten? Denn eines ist klar: Wir alle hinterlassen Spuren, indem wir Ausrüstung kaufen, nutzen und entsorgen, zu den verschiedenen Aktivitäten an- und abreisen, uns in der (alpinen) Natur und auf Hütten bewegen und dort konsumieren und mit Bewohner*innen vor Ort interagieren. Und unsere Fußabdrücke werden stetig größer...

Drei gute Nachrichten

  1. Ein Anfang ist gemacht: 2019 startete der DAV-Klimaschutzfonds. Förderanträge sind erwünscht.
  2. Die Hauptversammlung 2019 verabschiedete die Klimaschutz-Resolution. Bereits im Jubiläumsjahr ging der Bundesverband mit gutem Beispiel voran und kompensierte den CO2-Fußabdruck aller seiner Dienstreisen.
  3. Die CO2-Bilanz für die Anreise zur Fachtagung in Regensburg kann sich sehen lassen: 79 % der Teilnehmenden reisten mir Bahn und Bus an, 10 % mit Fahrrad oder zu Fuß, 7 % mit Fahrgemeinschaft und 4 % solo mit PKW. Dies ergab 550 kg CO2 zu kompensieren.

Ach ja, die vierte gute Nachricht: Auf allen AV-Hütten soll verpflichtend ein vegetarisches Bergsteigeressen angeboten werden. Zugegeben, das ging manchen der jüngeren Teilnehmenden nicht weit genug. Sie forderten vollständig vegetarische/ vegane Verpflegung auf AV-Hütten. Da setzte Andi Dick (Panorama-Redakteur) noch eins drauf: Überhaupt nur 1 Essen auf Hütten, noch besser reine Selbstversorgung; dazu die Wege „unbequem machen“ eher verschließen als ständig zu pflegen und zu markieren – das begrenze von selbst den Overtourism, nämlich den Aktionsradius des konsumorientierten Bürgers.

Nachhaltige Ausrüstung
Polarisierend mit der These „Die nachhaltigste Ausrüstung ist die, die man gar nicht erst kauft“ beleuchtete Workshop 1 den Lebenszyklus von Bergsportausrüstung und gab viele Anregungen:

  • Nur beschaffen, was man wirklich braucht - Ausrüstung ausleihen, z.B. beim DAV oder in Bergsportfachgeschäften
  • Secondhand-Angebote nutzen (Flohmärkte, Tauschbörsen, Onlineplattformen, Kleinanzeigen, Infobretter)
  • Beim Kauf auf die verschiedenen Labels achten. Hierzu wünschen sich die Teilnehmenden eine fachkundige Übersicht ähnlich dem „Wahl-O-Mat“
  • Beim Kauf auf regionale Erzeugung achten, Herstellungswege erkunden, Nachwachsende Rohstoffe bevorzugen, auf biologische Abbaubarkeit achten.
  • Kunststoffe und –fasern meiden, insbesondere solche der Fluor- und Chlorchemie. Gilt auch für Imprägniermittel, Membranen, Folien usw.
  • Lebensdauer verlängern: Reparaturangebote nutzen (z.B. Repair-Cafés),
  • Weitergabe: Sammelstellen für Upcycling anstatt Mülltonnen. Hier können Sektionen aktiv werden durch Informationsangebote, Workshops, Marktplätze, Tauschbörsen...

Mit dem JDAV-Projekt „DownUpcycling“ wurden im vergangenen Jahr 2.650 kg alte Daunenprodukte gesammelt und daraus neue Produkte hergestellt. Auch alte Werbebanner wurden zu Tragetaschen verarbeitet.

Nachhaltig aktiv
Workshop 2 ließ zwei ganz unterschiedliche Akteure mit Impulsvorträgen zu Wort kommen. Erst einen Fels- und Gebietsbetreuer aus dem Altmühltal, der vom jahrzehntelangen Engagement für nachhaltiges Klettern und langwierigem Aufbau von gegenseitigem Vertrauen zu den Akteuren von Naturschutzverbänden berichtete und wie die Sache im Nachbarlandkreis wieder bei null beginnt. Danach einen professionellen Slackliner, der seinen Sport als Challenge vermarktet und so betreibt, dass außer Bildmaterial und wertvoller Lebenserfahrung keine (sichtbaren) Spuren zurückbleiben. Die Slackline wird am Vormittag gespannt und am Abend wieder abgebaut. Trotzdem steht er oft vor unüberwindlichen Akzeptanzhindernissen. Obgleich der Extremsportler ähnlich wie der Verpackungskünstler Christo besonders attraktive Orte für seine Aktionen wählt, wird er wohl kaum Wegbereiter eines Massenansturms von Slacklinern in den Alpen werden. Für dieses Können muss man einfach extrem lange trainieren... Vielmehr stellt sich die Frage, ob proklamierte Nachhaltigkeit oft nicht mehr ist als Symbolik, oder mitunter sogar Geschäftsmodell und Werbetrick? Spannend zu lernen war, dass adidas mit einer Partnerfirma aus Plastikmüll von den Meeren Trikots herstellt, und kaum jemand erfährt davon. Die Trikots sollen ja verkauft werden! #machseinfach.
Die anschließende Gruppenarbeit „Worldcafe“ bedeutete, dass es drei Gruppen und drei Themen zu bearbeiten gab, wobei jeweils nach 10 min die Station gewechselt wurde. Die Themen waren: Wie schaut’s heute aus? Wo ist der Weg? Was erwartet uns 2030? Ziel war dabei die Sammlung von Aspekten und Ideen. Für eine tiefer gehende Diskussion war die Zeit zu knapp bemessen, jedoch wurde ein Teil der gesammelten Themen in der Abschlussdiskussion angerissen.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Der von der UNESCO vor 10 Jahren proklamierte Leitsatz „Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln“ zu befähigen sollte nach Ansicht vieler Teilnehmer*innen in Kursen, Touren, im Rahmen der Ausbildung und Jugendarbeit gelebte Realität werden. Auch wurde der Wunsch nach Lehrmaterialen an den Bundesverband herangetragen, um eigenständig in den Sektionen aktiv werden zu können. Mögliche spielerische Ansätze konnten die Teilnehmenden im Workshop 3 selbst ausprobieren. Beispielweise den langen Weg einer Hose „von Baumwolle aus Taiwan bis zum Einzelhandel in Deutschland“ mit einem Faden auf einer Weltkarte sichtbar zu machen. Und bei der nächsten Bergtour können die Tourenführer oder Kursleiter Nachhaltigkeit am Beispiel von Outdoor-Regenjacken oder anderer Funktionskleidung lehren, mit allem was zum Thema dazugehört. Diese und jede Menge weitere Themen unterstützt der Bundesverband mit Lehrmaterialien, Aufsätzen im DAV Panorama sowie mit Info-Boxen in der DAV-Kampagne „Haltung zeigen“, https://www.alpenverein.de/Natur/Klimaschutz/Haltung-zeigen/.
Darunter so wichtige Themenfelder wie

  • Energie- und Stromsparen
  • Nachhaltig anreisen
  • Reisen – Muss das sein?
  • Reparieren statt wegwerfen
  • Aus alt mach Neu
  • Upcycling im Bergsport
  • Ressourcenschutz und Verpflegung am Bergkuu ressource 2

Einfach so machen?
Bei der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass Freiheit und Verantwortung die zentralen Anliegen sind, die stets zusammen gehen und Grundlage für jede*n einzelnen, für die Sektionen und den Bundesverband sein müssen. Wünschenswert wäre, Verzicht als ein erstrebenswertes Ideal, als Mehrwert für zukünftige Generationen zu leben, indem alternative Vorhaben ohne Flugzeug und Fossil-PKW als ebenbürtig und vielleicht sogar höherwertig geschätzt werden. Und weil Selbstbeschränkung so schwer fällt, soll die Politik für Beschränkung sorgen. Drehen wir uns da nicht im Kreis? Sicher wäre es ein symbolträchtiger Schritt, den Ökonomisierungsdruck von Hütten wegzunehmen, wie auch gefordert wurde. Doch wie soll sich der DAV Summit Club verhalten? Zumindest wird seit Jahresbeginn für die 15.000 Flugreisenden pro Jahr das CO2 kompensiert, aber nicht als Aufschlag auf die Reisekosten, sondern von den Einnahmen des DAV, also auch von jenen, die sich bereits zum Verzicht entschieden haben. Die Frage stand im Raum, wie fair das ist?
Was können die Sektionen tun? Einige praktizieren Bonus-Systeme, sponsern die Anreise mit der Bahn, vergüten die PKW-Fahrt nur mit 10 ct/km. Oder erhalten Vergünstigungen über eine Kunden-Nr. bei einer DB-Agentur. Und der Aufruf des DAV Vizepräsidenten Manfred Sailer lautete: „Keine Konjunktive mehr, sondern tun, handeln, anpacken.“ Doch wie viel freundliches Bitten genügt, wenn die Zeit drängt?
Was dürfen wir noch wollen, damit unser Fußabdruck auf ein für die Erde erträgliches Maß schrumpft?

Weblinks:
Bergsport naturverträglich: https://www.alpenverein.de/Natur/Naturvertraeglicher-Bergsport/
Animation für Haltung: https://www.alpenverein.de/der-dav/jubilaeum-150/haltung-zeigen/
Bergsport mit Klimaschutz: https://www.alpenverein.de/Natur/Klimaschutz/Bergsport-Klimaschutz/
DAV-Resolution: https://www.alpenverein.de/natur/klimaschutz/resolution-fuer-eine-konsequente-klimapolitik_aid_34219.html

Text & Fotos: Dr. Kai-Uwe Ulrich, Referent für Umwelt und Naturschutz, Erweiterter Vorstand
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